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  1. Welche zahnmedizinischen Vorsorgemaßnahmen gibt es?
  2. Zahnbelag warum der Biofilm unbedingt entfernt werden sollte
  3. Wieso eine PZR sinnvoll ist
  4. Molekularbiologisch-diagnostische Maßnahmen für die pathogene Früherkennung
  5. Next Generation Sequencing

Welche zahnmedizinischen Vorsorgemaßnahmen gibt es?

Zur zahnmedizinischen Vorsorge gehören regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt, professionelle Zahnreinigungen und andere Maßnahmen, wie zum Beispiel Fluoridierung,  mit denen eine adäquate Mundgesundheit erzielt werden kann.

Es handelt sich also bei der zahnmedizinischen Prävention um alles, was zur Erhaltung gesunder Zähne (Vorbeugung von Karies) und gesunden Zahnfleisches (Vorbeugen von Zahnfleischentzündungen, so genannten Parodontalerkrankungen) beiträgt, wobei der „Feind“ im Garten der Mikrobiologie zu finden ist, denn Bakterien zerstören Zähne und Zahnhalteapparat (Parodont). Die Vorsorge in der modernen Zahnmedizin zielt also auf die Kontrolle des mikrobiellen Milieus ab.

Zahnbelag – Warum der Biofilm unbedingt entfernt werden sollte

Der zahnmedizinische Biofilm, auch bekannt als Zahnbelag, ist eine komplexe mikrobielle Gemeinschaft  aus Bakterien, Pilzen und anderen Mikroorganismen, die an der Oberfläche der Zähne haften und einen klebrigen, farblosen Film bilden. Bleibt er ungestört, kann sich der Biofilm auf den Zähnen ansammeln und zu Zahnstein verhärten, was zu Karies, Zahnfleischerkrankungen und anderen Problemen der Mundgesundheit führen kann.

Der Biofilm entsteht, wenn sich Bakterien im Mund an der Zahnoberfläche festsetzen und sich dort vermehren. Während dieses Prozesses bilden sie eine Matrix (Verbund) aus Polysacchariden, die sie an die Zahnoberfläche bindet. Die Bakterien „hüllen“ sich praktisch ein, und sind somit – vergleichbar einer Tarnkappe – vor dem Immunsystem des Wirts, vor antimikrobiellen Wirkstoffen und Antibiotika, weitestgehend geschützt.

Was ist aus dieser Beobachtung heraus erst einmal abzuleiten? Nun, dass Antibiotika – falls diese eingesetzt werden müssten – nur dann funktionieren können, wenn der Biofilm entfernt ist. Ansonsten würde nur die Bildung Antibiotika resistenter Keime gefördert werden, was im allgemeinmedizinischen Zusammenhang als kontraproduktiv zu werten wäre.

Zähne mit Zahnfleisch vor der Zahnreinigung (links) und nach der Zahnreinigung (rechts) wo der Zahnbelag entfernt wurde

Wieso eine PZR sinnvoll ist

Die Bildung einer pathogenen Matrix entsteht aber nicht „a priori“. Es benötigt einen Reifungsprozess. Erst aus einer ausgereiften Matrix heraus entsteht eine parodontale Pathogenität (Krankheitserregung). Dieser Reifungsprozess benötigt ca. 3 Monate, was seit längerer Zeit bekannt ist. Das wissend, leitet sich – im Rahmen eines präventiven Konzepts – ein sehr logischer und gleichwohl einfacher Algorithmus ab: wenn alle drei Monate die Matrix des Biofilms unterhalb des Zahnfleischsaumes zerstört wird – was umso mehr gilt, wenn sich bereits in der Vergangenheit parodontale Taschen entwickelt haben – weil eben keine adäquate Prävention implementiert wurde (!) – kann man die Entfaltung einer (weiteren) pathogenen Wirkung recht gut unter Kontrolle bringen und den status quo halten. Das gilt im Übrigen definitiv auch im Zusammenhang mit dentalen Implantaten.

Es wird damit aber auch klar, dass eine ausreichende Entfernung des Biofilms, Zahnbürste, Zahnseide & Co allein nicht überlassen werden kann. Eine professionelle Reinigung durch einen Zahnarzt/Zahnärztin oder Dentalhygieniker/-in ist dann nicht nur medizinisch sinnvoll, sondern auch indiziert, was im Übrigen durch eine Flut wissenschaftlicher Studien und, zusammenfassender, Meta-Analysen seit längerer Zeit bewiesen ist.

Molekularbiologisch-diagnostische Maßnahmen für die pathogene Früherkennung

Auf einem vergleichsweise „höheren“ präventiven Level können molekularbiologisch-diagnostische Maßnahmen implementiert werden, um den Biofilm  per se zu analysieren und somit – zu einem sehr frühen Zeitpunkt – eine mögliche parodontale Pathogenität zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen einleiten zu können.

Das kann man sich in etwa so vorstellen, dass mit so einem Test zunächst einmal quantitativ gemessen wird, wie hoch die Keimbelastung generell ist. Im nächsten Schritt wird eine qualitative Analyse durchgeführt, wobei man sich das an dieser Stelle, in etwa, an das „Ampelschema“ halten kann: „good guys“ (grün) – „don’t know, what kind of guys“ (gelb) und „bad guys“ (rot).

In meiner Praxis wird ausschließlich auf die Anwesenheit von Keimen aus dem „roten Komplex“ geprüft, und das dann weiter analysiert; denn, merke, es gibt in der Mikrobiologie auch „dentale Hooligans“, denen nur schwer beizukommen ist. Die Anwesenheit dieser Keime aber muss klar ausgeschlossen werden, um eine günstige Prognose zur Zahnfleischgesundheit abgeben zu können. Das ist übrigens ebenso relevant zu wissen im Vorfeld einer möglichen Insertion von dentalen Implantaten.

Next Generation Sequencing

Mundschleimhautabstrich - Vorbereitung für die Next Generation SequencingIn letzter Zeit wird diese Art der Diagnostik, die es bereits seit rund 30 Jahren gibt, kombiniert mit NGS (Next Generation Sequencing). Das ist eine leistungsstarke Technologie, die in der Zahnmedizin zunehmend für verschiedene Anwendungen eingesetzt wird, beispielsweise zur noch eingehenderen Analyse des oralen Biofilms, dem Berechnen des Verhältnisses von Symbiose (Gesundheit) zur Dysbiose (Krankheit) – wichtig um den richtigen Zeitpunkt einer Intervention bei einem chronisch erkrankten Zahnhalteapparat nicht zu verpassen – und zur Erforschung der genetischen Grundlagen von Mundkrankheiten. Der Einsatz von NGS in der zahnmedizinischen Prävention ist jedoch noch mit einigen Herausforderungen und Einschränkungen verbunden. Dennoch setze ich diese Technologie, zum Zeitpunkt des Entstehens dieses Textes, bereits seit einem halben Jahr in meiner Praxis ein. Die Reaktion der Patienten ist durchweg superpositiv.

Fazit: die zahnärztliche Vorsorge ist für die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung, da sie die Entstehung ernsthafter Probleme an Zähnen und Zahnhalteapparat (Parodont)  zu einem sehr frühen Zeitpunkt verhindern kann. Das verhindert letztendlich auch mögliche unnötige – da vermeidbare – Kosten in der Zukunft, denn …

… ein gesunder Zahn wird selten krank!

Stand: 30.März 2023
Veröffentlicht von Dr. Kullmann